Lebensraum Boden

Warum Erde kein Dreck ist.

Bild: Michael Bahn


Wir Menschen treten ihn täglich mit Füßen, wir bezeichnen ihn gerne mal als „Dreck“ – und doch bildet er die Grundlage allen Landlebens: Der Boden.
In einer Hand voll Erde befinden sich mehr Lebewesen, als in den meisten anderen Substraten auf unserem Planeten.
Der Ökologe Michael Bahn erforscht, wie der Lebensraum Boden mit dem Klimawandel interagiert und wie wir Menschen uns auch für die Zukunft einen gesunden Boden erhalten können.


Nicht nur das Klima ändert sich: Landwirtschaftliche Flächen werden brach gelegt und verwildern an den einen Orten, während andernorts Urwälder abgeholzt werden, um mehr Weideland zu erhalten. Neue Arten aus der Tier- und Pflanzenwelt erobern Gebiete, in denen es bisher zu kalt für sie war und andere Arten sterben für immer aus, weil ihre Lebensgrundlage zerstört wird.
Daher spricht der Ökologe Michael Bahn gerne von „Globalem Wandel“, der mehr Dimensionen berücksichtigt, als „nur“ die Erhitzung des Planeten.

Boden als Lebensraum und Lebensgrundlage

„Boden“, damit meint der Ökologe nicht den Parkett im Wohnzimmer oder den Asphalt vor dem Haus. Der Boden, von dem hier die Rede ist, ist die Grundlage für das meiste Leben an Land. Er kann wenige Millimeter dünn oder mehrere Meter dick sein, er ist reich an Nährstoffen für Pflanzen und andere Organismen und er stellt ein eigenes Ökosystem dar.

Nicht nur die Natur ist auf diesen fruchtbaren Boden angewiesen, sondern auch wir Menschen: Ackerbau, Holz als Brenn- und Baumaterial, Sauerstoff zum Atmen – all das gäbe es ohne gesunden Boden nicht.

Im Boden treffen sich die Pflanzen. Als Faustregel kann man sagen, dass eine Pflanze unterirdisch noch mal so viel Raum einnimt, wie oberirdisch. Dabei treffen im Bodn nicht nur die Wurzeln der verschiedenen Pflanzen aufeinander, sondern sie interagieren auch mit einer Vielzahl an Mikroorganismen, die von den Pflanzen mit Energie versorgt werden und die im Gegenzug wertvolle Nährstoffe bereitstellen.
Auch kleinere Tiere leben im Boden – Würmer, Insektenlarven usw. - der Artenreichtum ist gewaltig.

Kohlenstoff: Das Element des Lebens

Wir kennen ihn besonders als Teil von Kohlendioxid (CO2) und damit als Verantwortlichen für die globale Erhitzung: Kohlenstoff. Dabei verdanken wir diesem Element das Leben auf der Erde.
Kohlenstoff ist ein wichtiger Baustein organischer Substanzen und damit aller Lebewesen.

Über Millionen von Jahren haben die Pflanzen den Kohlenstoff aus der Atmosphäre gesammelt, mittels der Photosynthese in Zucker umgewandelt und ihre Gerüste daraus aufgebaut. Pflanzenfresser haben den Kohlenstoff ins Tierreich übertragen und wenn Tiere und Pflanzen sterben, werden sie von Mikroorganismen zersetzt, wodurch der Kohlenstoff wieder in der Atmosphäre landet. Ein Kreislauf, in dem der Boden eine wichtige Rolle spielt, wie wir gleich sehen werden.

Die Atmosphäre der Erde aus der Sicht eines Satelliten, unten ein Ausschnitt der blauen Erde

Kein Leben ohne Treibhauseffekt

Bevor die Pflanzen große Mengen an Kohlenstoff aus unserer Atmosphäre aufgenommen haben, war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre um ein Vielfaches höher als heute. CO2 ist ein Treibhausgas, d.h. es reflektiert Wärmestrahlung, die von der Erde abgestrahlt wird und hält diese so auf der Erde fest. Ohne diesen Treibhauseffekt wäre es auf der Erde eiskalt – wir verdanken dem Effekt also die Bedingungen, wie wir sie heute auf unserem Planeten vorfinden.

Problematisch wird der Treibhauseffekt erst dann, wenn sich das nun etablierte Gleichgewicht an gebundenem CO2 in Pflanzen und Boden und dem freien CO2 in der Atmosphäre zu stark verschiebt. Voila: Es wird immer heißer.

Der Boden ist der größte speicher für Kohlenstoff und damit CO2. Dort ist viel mehr CO2 gespeichert, als sich frei in der Atmosphäre befindet. Dieser Speicher hat sich über Millionen von Jahren aufgebaut.

Bambusplantage, Pflanzen stehen in Reih und Glied bis an den Horizont

Bäume pflanzen gegen den Klimawandel – hilft das?

Wie schon beschrieben, nehmen Pflanzen CO2 auf und speichern es. Allerdings kann über das Anpflanzen von Bäumen langfristig netto kein CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden: Wenn die Pflanzen in einigen Jahrzehnten sterben und verrotten oder verbrannt werden, gelangt das CO2 unweigerlich wieder zurück in die Atmosphäre.

Bäume sind daher nur mittelfristig als Speicher für CO2 geeignet.

Der Ökologe Michael Bahn erklärt außerdem, dass zerstörte Urwälder nicht einfach durch Aufforstung repariert werden können, da einerseits der zerstörte Boden nicht wieder hergestellt werden kann und auch die Artenvielfalt dadurch verloren geht. Langfristig sind Wälder daher nur als Kohlenstoffspeicher geeignet, wenn sie in ihrem natürlichen Gleichgewicht von CO2-Aufnahme und CO2-Abgabe bleiben dürfen und der Boden unversehrt bleibt.

Apere Gletscher-Hochfläche im Ötztal, Tirol

Wiese statt Gletscher: Wie Boden entsteht

Die Gletscher der Alpen schmelzen rasend schnell. Was zurückbleibt, wenn das Eis verschwindet, sind jede Menge Steine. Auch hier werden sich mit der Zeit Pflanzen ausbreiten. Dazu braucht es jedoch erst mal einen Nährboden:

Zuerst besiedeln Mikroorganismen die ausgeaperten Gletschermoränen. Später kommen sehr einfache Pflanzen dazu. Wenn diese verrotten, bildet sich daraus die erste Bodenschicht, die sich langsam anhäuft. So können sich die ersten Wurzeln im Humus verankern und es können immer größere Pflanzen wachsen.

Je länger sich der Boden entwickelt, desto dicker wird er. Durch Wetterereignisse wie Starkregen und Wind erodiert der alpine Boden laufend und findet irgendwann sein Gleichgewicht, z.B. als durchgehender alpiner Rasen.

Boden und Dürre

Mit zunehmender Erhitzung der Erde werden auch Wetterextremereignisse immer häufiger: Lange Dürreperioden gefolgt von Starkregen sind ein Szenario.

Michael Bahn erforscht, wie der Boden auf Dürre reagiert. Grundsätzlich fungiert der Boden als Puffer für Wasser: Wenn es regnet, saugt er sich voll und kann so den Pflanzen auch dann Feuchtigkeit spenden, wenn es gerade nicht regnet. Bei extremer Dürre gerät natürlich auch dieser Puffer an seine Grenzen, wodurch es langfristig zu einer Verschiebung der am und im Boden lebenden Arten kommt.

Ein Problem ist, dass der Boden bei zu großer Trockenheit wasserabweisend wird. Man kann sich diesen Effekt vorstellen wie bei einem Schwamm: Ist der Schwamm trocken, saugt er kaum Wasser an. Erst ein feuchter Schwamm nimmt große Mengen Wasser auf. So ist es auch mit dem Boden: Auf dem ausgetrockneten Untergrund perlt selbst starker Regen ab. Die Folge sind Überflutungen und starke Erosion.

Und noch ein Problem entsteht bei stark ausgetrockneten Böden: Werden sie wieder befeuchtet, so geben sie große Mengen von CO2 und Lachgas frei, welches ebenfalls ein Treibhausgas ist, nur 300 Mal stärker als CO2.

Die Versuchswiese zur Untersuchung des Ökosystems "Almwiese"

Den Boden erforschen

Mit seiner Forschung wirft der Ökologe Michael Bahn einen Blick in die Zukunft: Wie werden die Pflanzen reagieren, wenn die Temperaturen ansteigen, Regen ausbleibt, im Winter weniger Schnee fällt oder die CO2-Konzentration in der Luft steigt?

Um diese Fragen zu klären, simuliert der Forscher mit seinem Team verschiedene Szenarien. So bauen sie z.B. Folientunnel auf Almwiesen auf, um den Regen abzuschirmen oder sie schaufeln im Winter den Schnee von der Wiese, um zu sehen, wie die Pflanzen auf die geringe Schneedecke reagieren.

Um die Aufnahme und Abgabe von Kohlenstoff durch Pflanzen und Böden besser zu verstehen, stülpen die Wissenschaftler*innen z.B. Plexiglaskuppeln über ein Stück Wiese und geben ein Kohlenstoff-Isotop in diese Kammer. Dieses Isotop ist nicht radioaktiv, aber etwas schwerer als der „normale“ Kohlenstoff, sodass man es mit einem Isotopenlaser in der Luft oder anhand von Gewebeproben in den Pflanzen nachweisen und somit seinen Weg nachvollziehen kann.

Zur Auswertung der vielen verschiedenen Messdaten versuchen die Forscher*innen, gewisse Muster in den Daten zu finden und in Kooperation mit internationalen Expert*innen suchen sie nach Erklärungen für diese Muster.

Ziel ist es, langfristig zu verstehen, wie wir Menschen mit der Klimakrise umgehen können, um uns nicht die eigene Lebensgrundlage – einen gesunden Boden – zu entziehen.

Bild: Michael Bahn

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