Immunsystem von Pflanzen

Tomaetn niesen nicht...

Bild: Remco Stam


Millionen von unsichtbaren Krankheitserregern versuchen jeden Tag, unser menschliches Immunsystem zu überwinden und unser Gewebe zu infizieren. Viren, Pilze und Bakterien bilden die wichtigsten Erregergruppen beim Menschen.
Doch wie ist das eigentlich bei Pflanzen? Und wie können sich Pflanzen gegen die Erreger wehren?
Über das Immunsystem von Pflanzen spreche ich im Greenhorn Science Podcast mit Phytopathologe Remco Stam von der Universität Kiel.

Phytopathologie beschäftigt sich mit den Krankheiten und dem Immunsystem von Pflanzen. Dabei findet Phytopathologie nicht nur an Universitäten statt: Landwirte wollen wissen, ob Getreide, Gemüse oder Obstbäume mit Erregern infiziert sind und, falls ja, wie sie diese bekämpfen können, um Ernteausfälle zu verhindern. Biochemische und gentechnische Forschung im Labor trägt dazu bei, die Prozesse besser zu verstehen, die in den Pflanzenzellen bei einer Infektion mit einem Krankheitserreger ablaufen und sie zeigen, wieso mancne Sorten resistent (=immun) gegen bestimmte Erreger sind und andere nicht.

Pflanzen niesen nicht

Wie Krankheitserreger von Mensch zu Mensch übertragen werden, ist leicht zu verstehen: Wer spätestens nach Ausbruch der Corona-Pandemie von einem*r Unmaskierten angehustet wurde, weiß, was mit „Tröpfcheninfektion“ gemeint ist.

Pflanzen aber niesen nicht. Wie können sich also die Krankheitserreger der Pflanzenwelt verbreiten? Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Viren werden oft von kleinen Insekten übertragen. Blattläuse saugen z.B. etwas Saft aus einer infizierten Pflanze, krabbeln dann zur nächsten (gesunden) Pflanze und übertragen so die Viren. Dasselbe Prinzip, wie wenn ein Mensch von einer Zecke gebissen wird und anschließend an FSME erkrankt.

Pilzsporen werden von Pflanze zu Pflanze meist über die Luft übertragen. Dabei können sie je nach Pilz entweder direkt vom Wind verbreitet werden oder sie brauchen Aerosole, also kleine Wassertröpfchen, die sich bei Regen bilden und in denen die Pilzsporen transportiert werden.

Wieder andere Krankheiten sind bodenbürtig, d.h. die Erreger „liegen am Bodenn herum“ und warten darauf, dass eine passende Wirtspflanze dort wächst.

Wildtomaten im Gewächshaus

Einer für alle und alle für Einen

Nicht jeder Krankheitserreger kann jede Pflanze infizieren.
Allgemein wird in der Phytopathologie unterschieden zwischen sog. Biotrophen und nekrotrophen Krankheitserregern.

Biotrophe Krankheitserreger brauchen lebendiges Pflanzengewebe um selbst leben und sich ausbreiten zu können. Diese Erreger sind meist sehr spezifisch auf eine bestimmte Pflanze zugeschnitten und können nur diese eine Art befallen.

Nekrotrophe Krankheitserreger töten die Pflanze aktiv (z.B. mit Toxinen, also Giftstoffen). Diese Erreger haben meist viele verschiedene mögliche Wirtspflanzen, die sie infizieren können.

Bild: Remco Stam

Haben Pflanzen ein Immunsystem?

Kurze Antwort: ja. Auch Pflanzen müssen sich gegen die vielen Krankheitserreger wehren. Ähnlich wie wir Menschen haben auch Pflanzen eine unspezifische und eine spezifische Immunabwehr.

Der unspezifische Teil des Immunsystems bei Pflanzen erkennt z.B. Chitin, das ein Bestandteil der Zellwände von Pilzen und Insekten ist.
Die spezifische Immunabwehr erkennt über spezielle Proteinrezeptoren ganz bestimmte Proteine (= Eiweiße) bestimmter Krankheitserreger.

Bemerkt eine Pflanze, wie eben beschrieben, dass ein Krankheitserreger in eine Pflanzenzelle eingedrungen ist, dann tötet die Pflanze ihre befallene Zelle sofort ab. Da wie oben erwähnt biotrophe Erreger lebendiges Gewebe benötigen, um selbst zu überleben und sich auszubreiten, stirbt mit der getöteten Pflanzenzelle auch der Krankheitserreger.

Erbsengroße Wildtomaten

Der Phytopathologe Remco Stam beschäftigt sich in seiner Forschung hauptsächlich mit Krankheiten und Krankheitsresistenzen bei Wildtomaten. Diese sind die Vorfahren unserer heutigen Kulturtomaten und sie wachsen hauptsächlich in den Anden Perus und Chiles. Zwar kann man auch Wildtomaten essen, allerdings werden sie nur erbsengroß und die meisten Sorten bleiben grün.

Was Remco Stam besonders interessiert, ist, warum Wildtomaten gegen einige Krankheiten resistent sind, während „normale“ Tomaten daran erkranken. Der Grund liegt, wie Remco Stam erklärt, vermutlich darin, dass bestimmte Resistenz-Gene im Laufe des Züchtens der Kulturtomaten verloren gegangen sind.

Krautfäule auf Tomatenpflanzen

Braune Flecken auf Tomatenpflanzen: Krautfäule

Die wichtigste Krankheit bei Tomaten, die man vielleicht auch aus Omas Garten kennt, ist die sog. Blatt- und Krautfäule. Diese wird von einem pilzähnlichen Krankheitserreger verursacht. Man erkennt infizierte Tomatenstauden an den braunen Flecken, die sich auf den Blättern, dem Stängel und teilweise sogar auf den Früchten selbst bilden.

Die Infektion der Tomatenpflanzen mit Krautfäule läuft in zwei Phasen ab:
In der ersten Phase schneidet der Erreger ein Loch in die Zellen der Tomatenpflanze und ernährt sich vom Saft der Pflanze.
In der zweiten Phase verändert sich der Stoffwechsel des Erregers und er beginnt, die Tomate aktiv zu töten.

Das Problem: In der ersten Phase der Erkrankung ist nicht erkennbar, dass die Pflanze infiziert ist. Treten die braunen Flecken an den Blättern auf, dann ist die Krankheit bereits in die zweite Phase fortgeschritten und die Pflanze ist nicht mehr zu retten. Sie stirbt in wenigen Tagen ab.
Das ist auch der Grund, warum in der Landwirtschaft Pflanzenschutzmittel i.d.R. schon vorbeugend eingesetzt werden.

Bild: Remco Stam

Was bringt ein Tomatenhaus?

So wie beim Menschen sind auch die Abwehrmechanismen der Pflanzen nicht perfekt. Ist es z.B. zu heiß oder zu feucht, funktionieren manche Abwehrmechanismen der Pflanzen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt. Dagegen fühlen sich manche Krankheitserreger gerade unter diesen Bedingungen besonders wohl.

Die Verursacher der Krautfäule bei Tomaten beispielsweise haben bei großer Feuchtigkeit auf den Tomatenblättern besonders leichtes Spiel. Deshalb ist es im feuchten Mitteleuropa notwendig, dass die meisten Tomatensorten unter einem Tomatenhaus (meist ein Foliendach oder Glasdach) gehalten werden, wo sie vor zu großer Feuchtigkeit geschützt sind.

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