Exoskelette

Wenn Mensch und Maschine verschmelzen


Es klingt wie aus einem Science Fiction Film: Menschen schlüpfen in Roboteranzüge und bekommen so übernatürliche Kräfte. Roboter, die man sich um den Körper schnallt, gibt es aber auch in der Realität: Exoskelette. Ob Exoskelette tatsächlich bärenstark machen, was Exoskelette mit Paintball gemeinsam haben und was das alles mit einem Spaziergang am Mars zu tun hat, besprechen wir im Greenhorn Science Podcast mit Benjamin (Benji) Reimeir und Lennart Ralfs von der Uni Innsbruck.

Der menschliche Körper ist perfekt an seinen natürlichen Lebensraum angepasst. Doch unser Bewegungsapparat ist nicht dafür gebaut, acht Stunden täglich mit den Händen über dem Kopf Montagearbeit zu verrichten oder Pakete von einer Palette auf die andere zu stapeln. So kommt es bei verschiedensten Berufsgruppen zu Beschwerden des Muskel- und Skelettsystems. Was also tun, um die Arbeiter*innen möglichst lange gesund und fit zu halten? Exoskelette können hier eine Lösung sein.

Das Exoskelett "Lucy" zur Unterstützung der Arme und Schultern beim Heben und Arbeiten über Kopf

Was sind Exoskelette?

Exoskelette können sehr unterschiedlich aussehen und verschiedene Funktionen erfüllen. Meist geht es darum, menschliche Bewegungen zu erleichtern, die Bewegungsergonomie zu verbessern oder gewisse Positionen leichter halten zu können.

Ein Exoskelett, an dem an der Uni Innsbruck geforscht wird, trägt den Namen „Lucy“ und unterstützt den*die Träger*innen dabei, die Arme über dem Kopf zu heben bzw. dort für längere Zeit zu halten, ohne zu ermüden.
Das Gerät erinnert an einen Rucksack. Es wird mit einem Hüftgurt, Schulterträgern und Oberarmschlaufen fixiert. Über Sensoren wird die Bewegung der Arme gemessen und mittels Luftdruck (sog. Pneumatik) unterstützen Platten an den Oberarmen die Armbewegungen. Die Luftversorgung für die Pneumatik erfolgt über einen Schlauch oder einen Lufttank, wie er auch bei Paintball-Waffen eingesetzt wird.

Doch nicht alle Exoskelette funktionieren mit Druckluft: Auch Hydraulik, Elektromotoren oder Federsysteme sind möglich.

Kann der Roboter die Kontrolle über den Menschen übernehmen?

Kurze Antwort: Nein. Der Mensch hat immer die Kontrolle über das Exoskelett und das Exoskelett kann keine Bewegungen gegen den Willen des*r Anwender*in durchführen. Entgegen der Annahme Vieler geht es auch nicht darum, dass ein Mensch mit Exoskelett plötzlich unnatürlich hohe Lasten stemmen kann oder übernatürliche Kräfte erhält. Vielmehr ist das Ziel, beim häufigen Heben und langen Halten von herkömmlichen Lasten die Muskeln und die Gelenke zu entlasten.

Mit dem Gartenschlauch im Bewegungslabor

Um das Zusammenspiel von Mensch und Exoskelett zu untersuchen und die Steuerung und Technik des Exoskeletts zu verbessern, gibt es im sog. Bewegungslabor am Technik-Campus der Uni Innsbruck einen Testparcours, in dem verschiedene Arbeiten simuliert werden, bei denen in der Industrie Exoskelette eingesetzt werden könnten.

Ein Beispiel ist die Montage von Kabelbäumen an der Unterseite von Autokarosserien. In der Fabrik stehen die Arbeiter*innen dazu unter einer Hebebühne und arbeiten mit den Armen über dem Kopf. Im Labor wird diese Bewegung simuliert, indem die Versuchsperson einen Gartenschlauch auf eine Vorrichtung steckt.  Diese Bewegung führt die Person mehrfach mit und ohne Exoskelett durch. Währenddessen erfolgen zahlreiche Messungen:

Ein System mit neun Infrarot-Kameras erfasst die Bewegungen in 3D und mit speziellen Elektroden (sog. Elektromyografie, kurz EMG) wird gemessen, wie stark die Nervenimpulse sind, die das Gehirn an die Muskeln sendet. 

Mit diesen Messdaten sollen die Effekte von Exoskeletten auf die Bewegung und die Ergonomie untersucht werden. Außerdem wird überprüft, ob Alltagsbewegungen wie das Aufheben von Gegenständen oder das Treppensteigen durch das Exoskelett erschwert werden.

Astronaut bei der Simulation eines Marseinsatzes in der Wüste von Israel

Wie ein Luftballon am Mars

Exoskelette können nicht nur Bewegungen erleichtern, sondern auch genau anders herum eingesetzt werden, also, um Bewegungen gezielt zu erschweren.
Dies ist z.B. der Fall im Projekt von Benji Reimeir. Gemeinsam mit dem Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) will er jenen Bewegungswiderstand auf der Erde simulieren, den ein Raumanzug am Mars dem Astronauten bietet.

Ein Raumanzug wird bei einem Weltraumspaziergang mit Luft gefüllt. Die Atmosphäre am Mars ist aber sehr dünn. Daher bläht sich der Raumanzug durch den Innendruck auf. Wenn sich ein Astronaut nun auf der Marsoberfläche bewegen will, muss er mit jeder Bewegung gegen diesen Innendruck des Raumanzuges arbeiten (sog. Druckbeaufschlagung).
Man kann sich diesen Widerstand vorstellen wie bei einem Luftballon: Möchte man einen aufgeblasenen Luftballon verformen, so benötigt man dazu einiges an Kraft.

Mit Hilfe der Exoskelette versucht Benji Reimeir, genau diesen Widerstand auf der Erde zu simulieren, sodass Mars- oder Mondmissionen realistischer trainiert werden können.

Bild: OeWF / Florian Voggeneder

Ein Exoskelett für den Hausgebrauch?

Ob wir bald alle ein Exoskelett für unsere Alltagstätigkeiten nutzen werden – da sind die Experten unterschiedlicher Meinung. Benji Reimeir appelliert, man möge doch den eigenen Körper nicht verkümmern lassen und einen aktiven Lebensstil pflegen, dank dem man kein Exoskelett für den Alltag braucht. Lennart Ralfs ergänzt, dass es aber einige Tätigkeiten wie das schwere Heben oder das Heckeschneiden gibt, bei denen ein Exoskelett Erleichterung bringen könnte. Wie weit die Technologie in einigen Jahren verbreitet sein wird, bleibt also abzuwarten.

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