Analogmodellierung in der Geologie

Mit Sand und Silikon die Dolomiten simulieren.


Mit buntem Sand und Silikon die Deformation tektonischer Zonen zu simulieren, um besser zu verstehen, wie einst die „Bleichen Berge“ – die Dolomiten - entstanden sind, das ist das Ziel von Anna Sieberer. Die Geologin forscht an der Uni Innsbruck. Im Greenhorn Science Podcast erzählt sie, was man bereits über die Entstehung der Dolomiten weiß und wie ihre Experimente mit Hilfe der Analogmodellierung in der Geologie funktionieren.

Stellen wir uns die Entstehung der Erde an einem Tag vor, dann kommt der Mensch erst in der letzten Sekunde dieses Tages ins Spiel. Wir Menschen hatten also nicht die Gelegenheit, bei der Entstehung der Erde in ihrer heutigen Form zuzuschauen. Und trotzdem wollen wir verstehen, warum unsere Welt so ist, wie sie ist.

Eine wissenschaftliche Diszipin, die sich mit dieser Frage auseinandersetzt, ist die Geologie. Diese ist eine Teildisziplin der Geowissenschaften und sie beschäftigt sich u.a. mit der Entstehung verschiedener Gesteine und mit tektonischen Vorgängen, also der Bewegung in der Erdkruste und den darunter liegenden Schichten.

Die Geologin Anna Sieberer, die gerade ihr Doktoratsstudium an der Uni Innsbruck absolviert, interessiert sich besonders für drei Teilbereiche der Geologie, nämlich die Feldgeologie, die Sedimentgeologie und die Tektonik. Ihr liebstes Forschungsareal sind die Dolomiten.

Geislerspitzen in den Dolomiten: Sanfte Wiesen und Wälder und die schroffen Felsen

Dolomiten: Wie ein Keil in die Alpen getrieben

Scharfe Felszacken, die teilweise wie die Zinnen einer Burg aneinander gereiht die steilen Wände krönen, und unterhalb liebliche Wälder und sanfte, saftig grüne Wiesen: So sehen sie aus, die Dolomiten. Ein Gebirgsstock, der in den östlichen Südalpen liegt, zum Großteil in Italien, und dessen wohl bekanntestes Fotomotiv die Drei Zinnen sind.

Geologisch betrachtet ist das Gebiet der Dolomiten jedoch um Einiges größer als das, was allgemein unter dem Namen „Dolomiten“ bekannt ist: Der sog. Dolomitenindenter ist wie ein harter, geologischer Keil, der sich nach Nordwesten in die Alpen schiebt und der dabei nicht nur selbst verformt wird, sondern der auch das umliegende Gebirge verformt.

Gebirge in drei Schichten

Die Dolomiten sind stark vereinfacht gesagt in drei Schichten aufgebaut:
Ganz unten befindet sich das Grundgebirge, das sich vor rund 540 Mio. Jahren gebildet hat. Darüber befinden sich vulkanische Gesteinsmassen und auf diesen thronen versteinerte Korallenriffe, die in ihrer Form auch heute noch weitestgehend so aussehen, wie damals, als sie noch vom Ozean umspült wurden und bunte Fische diese Kalkstöcke bewohnten.

Durch Faltungs- und Hebungsprozesse in tieferen Schichten wurden die Riffe empor gehoben. Dort, wo einst Lagunen lagen, finden wir heute die bereits erwähnten Wiesen und Wälder und die Korallenriffe sind zu Bleichen Felswänden erstarrt.
Auch heute noch kann man das Meeresleben von damals mit freiem Auge betrachten: Versteinerte Korallen und andere Meeresbewohner findet das geübte Geologenauge überall.

Mit Hämmerchen und Lupe auf Wanderschaft

Es klingt schon fast ein bisschen kitschig, wie die Geologin Anna Sieberer bei ihrer Forschungsarbeit vorgeht: Mit Hammer, Lupe, Kompass und geologischer Karte wandert sie durch die Dolomiten und sucht nach sog. Aufschlüssen.

Ein Aufschluss ist in der Geologie ein Stück aufstehendes/aufragendes Gestein, das mit der Umgebung fest verbunden ist. Hat die Geologin einen Aufschluss gefunden, nimmt sie Gesteinsproben und sucht mit der Lupe nach kleinen versteinerten Fossilien.

Bei ihren Erkundungstouren hat die Wissenschaftlerin auch immer etwas 10%-ige Salzsäure mit dabei. Damit kann sie die Gesteinsart bestimmen: Dolomit ist säureresistent. Kalzit hingegen beginnt bei Kontakt mit der Säure zu brausen, ähnlich wie eine Brausetablette im Wasser.
Im Labor werden mitgebrachte Gesteinsproben dann auf bestimmte Minerale untersucht. Daraus lassen sich z.B. Rückschlüsse auf die Bedingungen bei der Gesteinsbildung machen.

Die Abbildung zeigt zwei Querschnitte (Profile) durch ein Krustenmodell.

Mit Sand und Silikon: Gebirgsbildung am Schreibtisch simulieren

Um die Verformungsprozesse besser zu verstehen, die im Laufe der Jahrmillionen in den Dolomiten gewirkt haben, hat Anna sieberer eine interessante Methode gewählt: Die Analogmodellierung.
Es erinnert ans Sandburgbauen: Mit unterschiedlich eingefärbtem Sand, Glasperlen und Silikon wird der Dolomitenindenter nachgebaut. Das TecLab im niederländischen Utrecht ist auf diese Art der geologischen Modellierung spezialisiert und dort hat auch Anna Sieberer ihre Experimente durchgeführt.

Um die Erdkruste nachzubauen, wird auf eine Plastikfolie mit einem Sieb in mehreren Schichten Sand aufgetragen. Soll auch der Erdmantel in der Simulation mit berücksichtigt werden, so werden diese tiefer liegenden Schichten durch Silikon dargestellt. Ein Modell von Anna Sieberer simuliert z.B. die Vorgänge in den obersten 16 Kilometern der Erdkruste, was in ihrem Modell etwa auf zwei Zentimeter maßstabsgetreu reduziert wird.

Bild: Anna Sieberer

Unterschiedliche Deformationsphasen des Dolomitenindenters werden simuliert, indem kleine Elektromotoren ganz langsam an der untergelegten Plastikfolie ziehen oder das Modell zusammenschieben. Der Sand und das Silikon verhalten sich ähnlich wie die tatsächiche Erdoberfläche und die Verschiebungen, Faltungen und Verwerfungen, die über viele hundert Millionen Jahre in den Dolomiten passiert sind, lassen sich so in wenigen Stunden nachvollziehen.

Das Modell wird, während die Motoren arbeiten, regelmäßig fotografiert und in 3D gescannt. Mit einem ganz normalen Küchenmesser kann die Forscherin auch Querschnitte durch das Modell nehmen und fotografieren.  
Mit dem Verfahren der sog. Partical image velocimetry können einzelne Sandpartikel an der Modelloberfläche verfolgt und deren Bewegung im Laufe der Simulation nachvollzogen werden.

Das folgende Video zeigt die Simulation der Verformungsprozesse in der Erdkruste im Bereich des Dolomitenindenters in Zeitraffer. Das Video stammt aus den Experimenten von Anna Sieberer im TecLab Utrecht.

Die Alpen im 'Gleichgewicht

Auch heute noch verformen und bewegen sich die Dolomiten und die gesamten Alpen werden Millimeter für Millimeter weiter empor gehoben. Allerdings ist die Geschwindigkeit, mit der die Alpen durch tektonische Vorgänge wachsen, in etwa gleich hoch wie die Geschwindigkeit, mit der die Alpen durch Erosion schrumpfen. Wir werden daher nie wissen, wie die Berge in vielen Jahren tatsächlich aussehen werden, aber durch Simulationen wie die von Anna Sieberer bekommen wir zumindest einen Eindruck davon, wie sie entstanden sind.

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